Quantenphysik

Die Esoterik der Kopenhagener Deutung

Viele Esoteriker sehen sich durch "die" Quantentheorie bestätigt, da diese viele "uralte" Postulate der Esoterik bestätigt habe. Dies ist natürlich keineswegs so. Erklären lässt sich der Missbrauch der Quantenphysik durch die Esoterik allerdings leicht dadurch, dass die Quantenphysik zwar funktioniert, aber noch keineswegs verstanden ist: über die Deutung oder Interpretation der quantenmechanischen Befunde herrscht weiterhin Unklarheit. Es gibt ganz verschiedene Interpretationen (vgl. Wikipedia) mit denen sich Experimente und Berechnungen im Bereich der Quantenphänomene erklären lassen. Doch keine der heute bekannten Interpretationen kann wirklich überzeugen. Problematisch ist allerdings, dass Quantenphysik allzuoft gleichgesetzt wird mit der bekanntesten Interpretation, der so genannten "Kopenhagener Deutung". Denn diese zeichnet sich durch ein besonderes Mass an "Esoterik" aus: sie leugnet beispielsweise die Existenz einer vom Bewusstsein losgelösten Welt und geht von der realen Existenz von Widersprüchen sowie von "Wundern" aus. Gemäss der Kopenhagener Deutung gelten im Bereich der Quantenphänomene Gesetze, die grundsätzlich nicht vereinbar sind mit den Gesetzen der "klassischen Physik" (Messproblem) und diese Gesetze entsprechen erstaunlich exakt den Gesetzen der Esoterik. Bedeutet dies nun, dass die Esoterik eben "doch recht hat" - oder dass die Kopenhagener Deutung falsch ist?

Widersprüche in der Quantenmechanik?

„Der Widerspruch ist für Niels Bohr kein ungelöstes Rätsel, er ist ein Teil der Realität. Wir können uns aussuchen, welchen der beiden Aspekte wir beobachten wollen, doch nur wenn wir uns der widersprüchlichen abgewandten Seite bewusst sind, kommen wir der Qualität einer tiefen Wahrheit nahe.“ (Knapp 2011. S. 135)

Die studierte Religionsphilosophin Natalie Knapp, von der diese Worte stammen, gilt nicht als exotische Esoterikerin, sondern ihr Buch „Der Quantensprung des Denkens“ wird meist in der Abteilung Wissenschaftstheorie gelistet. Niels Bohr ist zudem einer der Gründerväter der Quantenmechanik und ihrer »Kopenhagener Deutung, welche zumindest in manchen Versionen die reale Existenz von Widersprüchen behauptet. Über die Kopenhagener Deutung schreibt der Physiknobelpreisträger Robert Betts Laughlin allerdings: "So war die Tatsache, daß die Kopenhagener Deutung überhaupt keinen Sinn ergab, ihre eigentliche Stärke…“ (Gumbrecht 2008, S. 52) Der Physiknobelpreisträger Murray Gell-Mann sagte zudem in einer Rede: "Niels Bohr unterzog eine ganze Generation von Physikern einer Gehirnwäsche, indem er sie glauben machte, das Problem [der Auslegung der Quantenmechanik] sei bereits vor fünfzig Jahren gelöst worden." (Gumbrecht 2008, S. 55)

Es stellt sich also die Frage, ob die „reale Existenz von Widersprüchen“ tatsächlich zu einer tieferen Wahrheit führt - oder schlicht zu Nonsense.

Quantenphysik und Esoterik

Quantenphysik ist in der Esoterik ein grosses Thema. Denn viele Esoteriker sind der Überzeugung, dass sich mit Quantenphysik viele esoterische Phänomene erklären liessen, die auf "natürliche" Art und Weise unerklärbar sind. Dies ist definitiv nicht der Fall, es fällt allerdings auf, dass manche Deutungen der Quantenphysik selbst erstaunlich esoterisch tönen. So nehmen beispielsweise manche Deutungen an, dass im Bereich der Quantenphänomene Widersprüche real existieren (Schrödingers Katze; Knapp: Widersprüche als Teil der Realität). Oder dass die (materielle) Welt nicht unabhängig von immateriellem Bewusstsein existiere (Bunge: Kopenhagener Deutung), die materielle Welt also abhängig sei von einem immateriellen "Beobachter". Ebenfalls sehr esoterisch tönt der Gedanke, dass Quantenphänomene im Gegensatz zur restlichen Naturwissenschaft teilweise indeterministischen, teilweise deterministischen Gesetzen gehorchen sollen, dass sie quasi "willensfrei" seien. Dies ist eine dualistische Vorstellung, die ansonsten in den Naturwissenschaften strikt abgelehnt wird und führt zum wohl grundsätzlich unlösbaren Messproblem. An den Ergebnissen der Quantenphysik gibt es keine ernsthaften Zweifel. Aber es existieren unterschiedliche Deutungen dieser Ergebnisse, von denen manchen esoterischer zu sein scheinen als andere. Wie lässt sich dies bewerten?

 

   

Letzte Ausfahrt Quantenmechanik?

„Sind Wissenschaft und Religion wirklich so unvereinbar? Oder kann man mithilfe der Quantenphysik nachweisen, dass sie zusammengehören - als zwei Erfahrungsweisen des modernen Menschen, die einander ergänzen?“ [1]

Was der Trend- und Zukunftsforscher Mathias Horx 2007 im P.M. Magazin geschrieben hat spiegelt die Hoffnung vieler Menschen auf eine Verschmelzung von Wissenschaft und Glauben. Ermutigt werden sie dabei dadurch, dass Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts mit der Quantenphysik oder besser Quantenmechanik eine naturwissenschaftliche Theorie entwickelt wurde, die in vielerlei Hinsicht nicht kompatibel ist mit der klassischen Wissenschaft, dafür aber möglicherweise mit religiösen und parawissenschaftlichen Ideen. Doch ist die Quantenmechanik wirklich die wohl letzte Ausfahrt aus dem klassisch-wissenschaftlichen Denken oder lässt sich diese Strasse nicht mehr ernsthaft verlassen?